Autor: PKujath

geboren 1972, seit 1995 Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks, von 2007 bis 2013 ARD Hörfunkkorrespondent für Ostasien mit Sitz in Tokio, seit August 2014 langsamer Rückzug in den Bayerischen Wald
Winter Nachtrag

Winter Nachtrag

…jetzt ist die Schneehöhe auf über einen Meter gestiegen, und es soll in der Nacht wieder schneien. Immerhin sind die Langlaufloipen wieder gut zu befahren und bieten eine willkommene Abwechslung zu den Winter-Jogging-Strecken. Dafür hieß es auch heute: Schneeschaufeln am Morgen und am Nachmittag. Die Schneeberge rund um die Garagen überragen das Auto bei der Ein- und Ausfahrt. Noch können wir aber mit Hilfe des Traktors ein wenig Platz schaffen.

In den kommenden Tagen soll etwas wärmer werden, und wie schnell der Regen die Schneemengen zum Schmilzen bringen kann, haben wir bereits einmal in der Woche nach Neujahr erlebt. Das heißt allerdings auch, dass wieder die Schneemassen von den Haus- und Garagendächern mit lauten Getöse herabfallen werden und wir mühsam die Wege wieder freiräumen müssen. Nicht weniger mühsam war es, die Solarzellen auf dem Garagendach vom Schnee zu befreien, aber nur so kann der Elektriker hoffentlich am Dienstag die Solaranlage wieder in Gang bringen. Denn irgendwann wird die Sonne wieder scheinen.

Hanabi ist alles recht, so lange sie auf einem Schaffell in der Nähe des Küchenofens satt und zufrieden schlafen darf. Es sei ihr mit ihren fast 16 Jahren gerne vergönnt. Für Haru haben wir die Scheunenauffahrt entlang einen Weg freigeschippt, da sie auch im Winter auf Mäusejagd gehen will.

 

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Wieder Winter

Wieder Winter

Deja-vu. Die Landschaft rund ums Haus sieht wieder so aus wie Anfang Dezember. Und als täglicher Frühsport stand Schnee schaufeln auf dem Programm. Dabei hatten die letzten Wochen durchaus die Hoffnung keimen lassen, dass der Frühling 2018 bereits im Februar beginnen könnte. Danach sieht es derzeit nicht aus.

Allerdings sind die Temperaturen bisher verhältnismäßig mild geblieben. Nur in ein, zwei Nächten ist das Thermometer auf acht oder neun Grad minus gefallen. Einheizen müssen wir trotzdem mit Pellets, Holzscheiten oder Gas. Denn das Haus kühlt einfach schnell aus. Das merken wir besonders dann, wenn unser Waidlerhäuschen für ein paar Stunden für sich ist, weil Silke in der Berufsschule oder dem Pflegeheim und ich in München beim BR bin. Dann ist es schwierig, die Zimmertemperatur zumindest in ein, zwei Räumen auf ein erträgliches Maß zu bringen. Dafür sieht die Landschaft in weiß gehüllt extrem reizvoll aus und all die Geräusche werden um etliche Dezibel leiser.

Nachdem der Schnee in den ersten Tagen des neuen Jahres fast vollständig geschmolzen war, haben sich nun wieder 70 Zentimeter angesammelt. Und die Vorhersage lässt vermuten, dass der Meter bald voll sein dürfte. Zum Glück sind die Schneeladungen bereits mit lautem Getöse vom Haus- und Scheunendach heruntergerutscht. Haru was not amused und versteckte sich erst einmal außerhalb. Mittlerweile hat sich unsere Katze wohl an den Winter-Krach gewöhnt. Denn die Dachlawinen haben bereits wieder angefangen zu fallen und heute morgen war Haru trotzdem gleich zur Stelle, als es ums Futter ging.

Als die nasse Schneeladung von den Garagen krachte, bildete sich ein kleiner Wall vor den Toren. Silke konnte nur mit viel Muskelkraft den Weg für unsere zwei Autos freiräumen, ehe ich mit schwerem Gerät (vor allem der Erd-/Schneeschaufel hinten am Traktor) die Hügel einzuebnen vermochte. Die Schneehaufen vor den Garagen zwingen uns mittlerweile dazu, ganze Schneeladungen auf die andere Seite der Straße zu kippen. Zum Glück haben wir den Platz. In Altschönau ist es neben der Straße angesichts der Schneeberge ziemlich eng.

 

Die Hühner finden die weiße Pracht wenig erbaulich, hatten sie doch schon im Gewächshaus und an den frei geschmolzenen Stellen in unserem Gemüsegarten eifrig gescharrt, die Schneefreie Zone genossen und hoffentlich alle Schneckeneier vertilgt. Jetzt geht es für das Federvieh erst einmal wieder nur entlang der frei geschaufelten Bahnen rund ums Haus auf Spaziergang. Die zwei alten Hennen watscheln manchmal mit und sind trotz akutem und anhaltenden Schluckauf überraschend munter.

Die Eier-Produktion haben die jüngeren auch wieder aufgenommen, so dass im Küchenofen nicht nur Wärme sondern auch regelmäßig Kuchen entstehen kann. Von den eigenen Kartoffeln gibt es noch reichlich und der Vorrat an Lammfleisch in den Tiefkühltruhen ist zwar merklich kleiner geworden, aber noch haben wir genug zu essen. Und für Nachschub ist ohnehin schon gesorgt. Unseren Schafen ist das Wetter relativ egal, auch wenn sie keine große Lust haben durch den Schnee zu stapfen. Es macht ihnen aber auch nichts aus, im Stall zu stehen, solange sie ausreichend Heu vorgesetzt bekommen. Wenn nicht, dann erfolgt ein lautes „Bäh“.

Vor vier Tagen ist noch ein Lamm hinzugekommen: ein Lamm-Mädchen. Damit sind es jetzt vier kleine Lämmer, die bereits mit den Alten am Heu zupfen. Die Milch ihrer Mütter wird aber noch klar bevorzugt.

Wahrscheinlich wird zumindest ein Schaf noch lammen, vielleicht sind sogar die zwei Einjährigen trächtig. Dann wäre unsere Herde den Frühling und Sommer über wieder ziemlich groß. Die Gedanken kreisen bereits um die anstehende Aussaat und die Frage, wo dieses Jahr Kartoffeln angepflanzt werden können und was sonst noch wachsen soll. Es ist schön zu wissen, dass ich dafür, so wie es aussieht, in den kommenden Monaten mehr Zeit haben werde. Aber natürlich muss dafür vorher der Schnee verschwinden.

Unsere Solaranlage liefert übrigens immer noch keinen Strom – und das nicht nur, weil die Sonne in den vergangenen zwei Monaten so gut wie nicht zu sehen war. Dafür weiß ich jetzt, wie man eine Kippsicherung austauscht. Den Sinn der einzelnen Geräte (Wechselrichter, Charger) und die Verbindungskabel kann ich auch einigermaßen nachvollziehen. Zur Lösung unseres Problems hat dieses Verständnis allerdings nicht beigetragen. Die Solarmodule wollen ihren produzierten Strom einfach nicht weitergeben an die Batterie oder unseren Haushalt. In der Folge dieses Rätsels läuft der Diesel-Generator täglich, kam der Heizöl-Lieferant bereits zum Nachfüllen und standen schon zwei Elektriker ratlos vor unserer Anlage, während ein Fachmann aus der Gegend für länger krank geschrieben ist. Jetzt muss uns eine größere Firma aus Regensburg helfen, die hoffentlich am Dienstag kommt und das Problem beseitigt. Denn irgendwann wird wohl auch mal wieder die Sonne scheinen.

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Es ist ein Lamm geboren

Es ist ein Lamm geboren

Schafstall an Weihnachten

…eigentlich sind es ja zwei und die kamen schon am 22.12. – aber alles andere erinnert schon sehr an Weihnachten; nicht unbedingt an das christlich-historische, denn der Schafstall im Jahre 0 unserer Zeitrechnung war ja angeblich eine Höhle und Schnee gab es im damaligen Bethlehem sicher auch nicht; das Bild mit Schaf, Esel, Krippe, Maria und Josef im winterlichen Schafstall hat sich jedoch bei uns durchgesetzt.

 

Schnee gibt es noch in der Bergerau. Aber auch wir haben seit drei Tagen Plus-Grade, so dass die Schicht von knapp einem Meter auf nur mehr zwanzig Zentimeter zusammengesunken beziehungsweise hinweg geschmolzen ist. Immerhin kann man jetzt wieder mit Gummistiefeln und Hanabi durch den Wald stapfen, ohne dass einem der Schnee in den Schaft hinein fällt.

Da im Laufe der Zeit immer wieder Schnee vom Dach gerutscht ist, hat sich vor dem Hühnerstall eine kleiner Berg entwickelt. Den frei geschippten Weg rund ums Haus benutzt das liebe Federvieh allerdings gern – und hinterlässt überall seine Haufen. Wer wollte bloß Hühner;-)

Ansonsten geht das Leben seinen schon fast gewohnten Gang: Frühschicht im Pflegeheim für Silke, da in diesem Monat Praxis und erst im nächsten wieder Schule ansteht; das bedeutet aufwachen um vier Uhr. Tiere versorgen am Morgen (Hund, Katze, Hühner, Schafe), Haus und Kochen sind derzeit meine Aufgaben kombiniert mit Langlaufen oder Joggen; der Haushalt wird gemeinsam gestemmt und die Besuche bei den Lämmern natürlich auch.

Der einzig warme Platz denkt sich Hanabi

Mit den Hühnern geht es dann meist ins Bett – vielleicht doch ein bisschen später. Denn Louie und seine Damen sitzen angesichts der Kürze der Tage schon um 17 Uhr auf der Stange. Hanabi hat sich auf jeden Fall auch tagsüber den wärmsten Platz ausgesucht. Im Alter braucht man Wärme, Fressen, Zuneigungen und vor allem seine Ruhe.

 

Weihnachtstisch

Ein bisschen Weihnachten mit einem Geschenktisch gibt es bei uns übrigens auch.

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Winterlandschaft Mitte Dezember

Winterlandschaft Mitte Dezember

Die längst Nacht des Jahres steht uns noch bevor. Doch schon jetzt sind es 50 Zentimeter Schnee, der sich rund ums Haus angesammelt haben. Das sieht zwar schön aus, ist aber mit viel Schneeräumen verbunden. Und ohne unseren Traktor, also die diesel-betriebenen Hilfsmittel, wäre es unmöglich, den Weg bis zur Straße frei zu bekommen. Es sind gut 50 Meter, die vom Schnee befreit werden müssen, damit Silke zu ihrer Arbeit im Pflegeheim oder der Pflege-Schule kommt und ich nach München zum BR.

Wenn am 21. Dezember nach dem Kalender der Winter beginnt, wird die Schneehöhe wohl weiter angewachsen sein. Zum Glück haben wir Platz vor den Garagen, um die Schneemassen an die Seite schieben zu können. Allein das Schneeschild an der Vorderseite unseres Traktors reicht dafür nicht mehr aus. Mit Hilfe der Schaufel, an der Rückseite des Traktors angebracht, müssen die Schneeberge an die richtige Stelle transportiert werden. Dann hat auch Haru (Frühling) wieder eine Chance durch den Schnee hinaus ins Freie auf Mäusejagd gehen zu können.

Die Loipen sind alle gespurt, aber Joggen ist nur mehr eingeschränkt möglich. Nach drei Wochen krankheitsbedingter Pause musste es dennoch sein. Die schmale Straßenmitte, die der Schneepflug frei geräumt hat, müssen sich Hundebesitzer mit Spaziergängern (Joggern) und den Autos teilen.

Die „Vor-Winterzeit“ bringt Ruhe mit sich. Der Schnee zwingt die Waldarbeiter mit ihren Motorsägen zu pausieren und dämpft die Geräusche der vorbeifahrenden Autos, die angesichts der Straßenverhältnisse tatsächlich langsamer fahren. Urlauber sind in dieser Zwischenzeit ohnehin nicht da. Allein wir durchbrechen die Stille einmal am Tag für eine gute Stunde. Dann nagelt unser Diesel, um Strom in die Batterie zu leiten und die Waschmaschine zum Laufen zu bringen. Denn mit Solarstrom ist gerade kein Staat zu machen und Strom aus der Steckdose gibt es ja bei uns nicht. Ohnehin hat der Laderegler wohl einen Kurzschluss zuviel abbekommen – unserer Laienmeinung zufolge. Einen Experten für Solar-Insellösungen zu finden (im Idealfall hier in der Nähe auf dem Land) ist schwierig und einen Termin auszumachen noch schwieriger. Nächste Chance 9. Januar 2018. Bis dahin muss ich mir immerhin keine Gedanken über den Schnee auf den Solarmodulen machen. Das ist aber auch der einzige Vorteil.

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Perspektivenwechsel

Perspektivenwechsel

Diesen Anblick hatte ich nicht erwartet. Nach warmen, sonnigen Tagen in München und Frankfurt überraschte mich der immer noch weiße Anblick zu Hause schon ein wenig. Von den 15 Grad und dem lauen Nacht-Spaziergang von der Alten Oper zum Hotel ist hier in der Bergerau nichts zu spüren. Der Boden ist an vielen Stellen immer noch gefroren und der Schnee wird wohl auch heute nicht verschwinden. Ab morgen sind ohnehin für ganz Bayern wieder winterliche Verhältnisse angesagt.

Damit haben wir also in diesem Jahr weiße Verhältnisse noch etwas früher als in den Jahren zuvor. Einen Beitrag zur Debatte um den Klimawandel spare ich mir; die Zeiträume – mögen sie für uns als Mensch durchaus lang und bedeutend erscheinen – bleiben in den langen Zyklen der Natur mit ein paar Jahrzehnten persönlichen Beobachtungszeitraum bestenfalls ein Wimpernschlag. Aber es ist nur allzu menschlich für sich und seine Zeit das Besondere reklamieren und empfinden zu wollen. Pragmatisch gesehen mussten wir dieses Jahr einfach ein paar Wochen früher mit Schneeschaufeln und -schieben beginnen als letztes Jahr, werden die Schafe ein wenig früher mit Heu bedient, um entspannt und wiederkäuend vor dem Stall in der Sonne zu liegen; Wärme im Haus ist mit oder ohne Schnee ohnehin nur mehr dort vorhanden, wo wir mit Holz oder Gas punktuell Behaglichkeit erzeugen können.

Seitdem Silke ihre Ausbildung in Teilzeit zur Altenpflegerin begonnen hat, ist die gemeinsame Zeit noch kostbarer geworden. Jeder von uns hat seine Herausforderungen, die in der Struktur und den menschlichen Komponenten viele Parallelen zeigen. Die Probleme sind im BR, der Schule oder dem Pflegeheim überraschend ähnlich. Das verbindet die Welten, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sei könnten. Meinen Vortrag zum Thema „Transit“ auf der cresc:biennale habe ich hinter mir.

Vortrag Cresc gehalten am 23.11.2017

Wer will kann ihn hier einmal nachlesen. Mir hat es trotz vieler Zweifel Freude bereitet, mal wieder an einem längeren Text zu arbeiten. Und es hat mir Spaß gemacht, meine Gedanken den Menschen in so einem Rahmen: Opern- bzw. Konzertsaal, heterogenes Publikum, zeitgenössische Musik näher zu bringen. Die Resonanz vor Ort war positiv, auch wenn die Kritik zurecht auf die Schwierigkeit hinweist, Musik und Wort zu verbinden.

http://www.allgemeine-zeitung.de/freizeit/kunst-und-kultur/musik/biennale-fuer-moderne-musik-in-frankfurt-mit-konzert-verbinden-und-abwenden-eroeffnet_18344509.htm

http://www.fr.de/kultur/musik/biennale-fuer-moderne-musik-gescheiterter-transit-zwischen-allem-moeglichen-a-1394864

Aber Kritik ist besser als gar keine Reaktion. Da geht es mir nicht anders als den eigentlichen Stars des Abends wie der Komponistin Zeynep Gedizlioglu oder dem Dirigenten Ilan Volkov. Immerhin hat mir dieser Perspektiven-Wechsel gezeigt, dass ich mich auch in so einer Welt noch wohl fühle und diese Auseinandersetzung auch nie ganz aufgeben möchte.

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Vortrag cresc:biennale

Vortrag cresc:biennale

Vortrag Cresc: Transit von Peter Kujath 23.11.2017

Sehr geehrte Damen und Herren, liebes Publikum,

Der Begriff Transit, mit dem das diesjährige Festival überschrieben ist, hat viele Facetten. Auf den Internet-Seiten von cresc sind ein paar Begriffspaare genannt, in deren Spannungsfeld sich die Gesellschaft derzeit bewegt: Konflikt und Aussöhnung, Hoffnung und Resignation, Ort und Nicht-Ort, Eigenes und Fremdes.

Als ich gefragt wurde, ob ich einen Impuls-Vortrag halten möchte, der den Begriff Transit im Hinblick auf meine Korrespondentenzeit aufgreift – ich war sechs Jahre lang als ARD-Radiokorrespondent in Ostasien unterwegs –, da fielen mir beim ersten Brainstorming zuerst die vielen Stunden in den Transitzonen der Flughäfen ein. Die Passkontrolle hat man schon hinter sich, das Land aber noch nicht verlassen. Man befindet sich in einer Zwischenwelt, die symptomatisch ist für das Leben als Korrespondent. Ich habe meine deutsche Identität zwar mit nach Japan, Korea und Taiwan genommen, durfte aber eintauchen in ganz andere Gesellschaften. Ich war auf einmal der Fremde, der Ausländer. In der Reflexion der sich mir darbietenden Sitten und Gebräuche war ich auch zurückgeworfen auf die mir selbstverständlich erscheinenden Gewohnheiten, die ich an mir kaum wahrgenommen aber die Japaner irritiert haben.

Ein banales Beispiel dafür ist der Umgang mit dem Taschentuch: der Japaner bekämpft eine laufende Nase lieber, in dem er hochzieht, weil er es für unhygienisch hält, ein voll geschneuztes Taschentuch mit all den Viren und Bakterien in die Tasche zu stecken und mit sich herumzutragen, wie wir das gerade in der Erkältungszeit tun.

Transit bedeutet für mich, nicht hier noch dort zu sein; als Gast in einem fremden Land wie Japan oder Korea musste ich nicht Sitten und Gebräuche übernehmen, aber meine deutschen bzw. europäischen Werte durchaus einmal hinten an stellen. Vielleicht geht es der türkischen Komponistin Zeynep Gedizlioglu, deren Werk wir vor der Pause gehört haben, und die in Deutschland schon lange lebt, ähnlich.

Neben den persönlichen Transit-Erfahrungen konnte ich in Ostasien das Transit-Phänomen auch in der Gesellschaft und in der Politik beobachten: gewachsene Strukturen versuchen mit den modernen Anforderungen zurechtzukommen, soziale Bindungen gehen wegen des rasanten Fortschritts verloren. Vermeintlich bereits im Niedergang respektive Übergang befindliche Regime behaupten sich: teils durch Transformation, wenn ich an die Volksrepublik China denke, oder durch Abschottung und ideologische Überhöhung wie in Nordkorea. Hier wird der Bevölkerung eingetrichtert, dass allein die religiös verehrte Familie der Kims das Überleben des nordkoreanischen Volkes angesichts der ausländischen Bedrohung sichern kann.

Wir sehen den nordkoreanischen Staat meist als etwas Anachronistisches, als etwas, das keine Zukunft hat, sich also schon in einem Transitionsprozess, in einem Übergangsstadium befindet. Die nordkoreanische Elite hat ein ganz anderes Bild von sich und ihrem Regime: nämlich das der Stabilität in einer ansonsten chaotisch, sich immer wieder ändernden Welt.

Ich konnte noch zu Lebzeiten von Kim Jong Il als Korrespondent mehrmals nach Nordkorea reisen und mir auch das Land unter seinem Sohn und aktuellem Führer, Kim Jong Un, anschauen. Wer als Journalist nach Nordkorea einreist, muss sich auf ständige Begleitung einstellen. Bei meinen Besuchen waren es zwei Personen, die sich um mich „gekümmert“ haben. Gegenseitige Kontrolle und die Gefahr der Denunzierung verhindern in der Regel, dass man irgendetwas anderes als die offizielle Parteilinie erfährt. Das Perfide an dem Überwachungsstaat Nordkorea liegt darin, dass es keine bewaffneten Posten am Hoteleingang oder auf den großen Plätzen der Hauptstadt gibt. Wer es darauf anlegt, kann verbotenerweise allein die Straße entlang laufen – zumindest ein kurzes Stück, bis man von einem der vielen zivilen Beamten aufgehalten wird. Nordkorea ist kein Abenteuer-Spielplatz, auch wenn die Tourismus-Branche als einer der wenigen Industriezweige derzeit boomt.

Nordkorea ist aber auch kein statischer Block, der von ewig Gestrigen regiert wird. Als ich 2014 einreiste und auch am Marathon in Pjöngjang teilnahm – in dem Jahr war die Veranstaltung erstmals für Amateure geöffnet worden – konnte ich von dort direkt all meine Eindrücke twittern, einen Blog schreiben und natürlich im Radio berichten. Die Mobilfunk-Verbindung in der Hauptstadt war stabil und leistungsfähig. Diese Möglichkeiten bestanden allerdings nur für ausländische Besucher und wurden bald wieder eingeschränkt. Handys, Smartphones, ja selbst ein auf Nordkorea beschränktes Internet existieren aber weiterhin. Die nordkoreanische Propaganda hatte auf Youtube einen eigenen Kanal und stellt bis heute unter uriminzokkiri.com Videos mit ihrer Version der Wahrheit ins Netz.

Auch in Nordkorea gibt es also Wandel, aber von Transit zu sprechen, ist aus meiner Sicht verfrüht. Meinen Aufpassern war am Ende meiner Besuche in Nordkorea immer die Erleichterung anzumerken, wenn sie mich an der Passkontrolle am Flughafen vor dem Transitbereich wieder absetzen konnten, ohne dass sich ein größerer Zwischenfall ereignet hatte. Bei mir fiel die Anspannung allerdings erst dann so richtig ab, wenn ich im Flugzeug saß und unter mir die karge, braune Landschaft des ausgelaugten Landes zu sehen war. Freiheit zu empfinden, frei von Angst zu leben ist ein Geschenk, das wir in der deutschen Demokratie, in unserem Rechtsstaat vielleicht manchmal als allzu selbstverständlich nehmen.

In Japan, der von außen betrachtet westlichsten Demokratie in Ostasien, hat die Staatsmacht für mich als Ausländer etwas Einschüchterndes – vielleicht wegen der jahrzehntelangen, allerdings demokratisch legitimierten Ein-Parteien-Herrschaft. Wahrscheinlich hatte dieses Gefühl auch damit zu tun, dass ich im Konfliktfall – und den gab es zum Glück nur ein paar Mal – nicht in meiner Muttersprache argumentieren konnte, sondern mich trotz meiner rudimentären Japanisch-Kenntnisse sofort in der Rolle des Unterlegen befand. Auch das ist eine Erfahrung, die ich zwar nicht jedem wünsche, die aber dazu beitragen kann, sich zurück im vertrauten Umfeld – in meinem Fall in Deutschland – besser in die Rolle eines Gastes oder Ausländers hineinversetzen zu können.

Das Wort Transit wird im Rahmen der Politischen Wissenschaften noch in einem weiteren Zusammenhang gebraucht: als System-Übergang. Südkorea ist oder war so ein Transit-Land: gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch.De jure befindet sich der Staat noch im Kriegszustand. Der Korea-Krieg 1950 bis 53 wurde lediglich durch ein Waffenstillstandsabkommen eingefroren. Die Grenzen zwischen dem Norden und dem Süden sind noch immer strittig.War Südkorea lange Zeit ein rückständiger Agrarstaat, gehört es heute als erfolgreiche Industrienation zu den G20-Staaten.

Isang Yun, der koreanische Komponist, der als Leitmotiv immer wieder auf der diesjährigen Cresc:Biennale auftaucht, hatte sich Zeit seines Lebens für die Aussöhnung auf der koreanischen Halbinsel eingesetzt. Und er musste am eigenen Leib erfahren, wie wenig so eine Haltung in den 1960er und 70er Jahren in Südkorea akzeptiert war. Im damals noch autokratisch geführten Staat galten Menschen mit Verbindungen oder gar Sympathien für den Norden als Schwerverbrecher. Bis heute muss man von Seoul aus über Peking nach Pjöngjang fliegen. Das Gesetz ist noch in Kraft, das den Besitz und die Verbreitung von nordkoreanischer Propaganda in Südkorea unter Strafe stellt. Anfang 2017 wurde nach langer Zeit wieder ein südkoreanischer Buchhändler angeklagt, weil er über das Internet nordkoreanische Publikationen verbreitete, obwohl diese auch in südkoreanischen Bibliotheken einsichtig sind.

Auch das gehört für mich zum Thema Transit: selten stellt sich eine Situation auf den zweiten Blick so eindeutig dar, wie sie zuerst erscheinen mag.

2008 wurde in Südkorea Lee Myung-bak Nachfolger von Präsident Roh Moon-hyon, dem letzten Verfechter der sogenannten Sonnenscheinpolitik. Lee war ein konservativer Politiker, unter dessen Amtszeit sich der Zustand der friedlichen Koexistenz zwischen Nord- und Südkorea wieder in einen kalten Krieg verwandelte. Mit seiner Nachfolgerin, der ersten Präsidentin Südkoreas und der ersten Präsidentin, die auf Grund eines Amtsenthebungsverfahrens vorzeitig aus dem blauen Haus ausziehen musste, verschlechterte sich das Verhältnis zum totalitären Nachbarn weiter. Seit kurzem ist wieder ein eher links-liberaler Präsident in Südkorea an der Macht, der durchaus an der Sonnenschein-Politik anknüpfen wollen würde, wenn denn der engste militärische Partner Südkoreas damit einverstanden wäre. Die Rede ist vom Irrlichternden US-Präsidenten. Zuerst behauptete Donald Trump, dass er sich durchaus „geehrt“ fühlen würde, Kim Jong Un zu treffen. Dann drohte er wörtlich „…with fire and fury like the world has never seen before.“ Mit Feuer und Zorn, wie sie die Welt noch nie vorher gesehen hat. Auf seiner Asienreise vor zwei Wochen schlug Donald Trump dann wieder versöhnliche Töne gegenüber dem nordkoreanischen Diktator an. Eine nachhaltige Strategie hinsichtlich eines mit Atomwaffen und Langstreckenraketen ausgestatteten Landes scheint der US-Präsident noch nicht gefunden zu haben. Ich hoffe aber sehr, dass mit Hilfe der diplomatischen Kanäle über die UNO in New York trotz all des Säbelrasselns am Ende Schlimmeres verhindert werden kann.

Was hat dieser kleine, geschichtliche Exkurs mit Transit zu tun, mögen Sie sich fragen. Transit bedeutet für mich auch Perskeptiv-Wechsel. Versucht man einmal die Haltung der anderen Seite einzunehmen, in dem Fall von Nordkorea, dann ist die einzige Konstante bei den ständigen, politischen Richtungsänderungen in den USA oder Südkorea das eigene System.Und geht man davon aus, dass Kim Jong Un ein rationaler, wenn auch extrem grausam handelnder Akteur ist, dann stellt die nordkoreanische Politik mit ihren klar definierten Zielen derzeit den einzig berechenbaren Faktor dar.

Die Vermittlung der anderen Sichtweise, ohne diese zunächst als richtig oder falsch darzustellen, war mir ein Anliegen in meiner sechsjährigen Korrespondentenzeit. Dafür habe ich mich gerne immer wieder in die Transit-Zone begeben. Die Einordnung, meine persönliche Einschätzung konnten dann im Gespräch oder in Form eines Kommentars erfolgen.

Der Hauptsitz des ARD-Korrespondenten für Ostasien ist Tokio. Auf den ersten Blick wirkt Japan westlich, vertraut. Je länger man dort lebt, desto deutlicher treten aber die Unterschiede zu Tage. Es ist das Privileg eines Auslandskorrespondenten, mit dem Blick von außen und zeitlich befristet auf die Gesellschaft, die Gewohnheiten und das System des Gastlandes blicken zu dürfen. Man darf alle Fragen stellen, auch wenn man nicht immer Antworten erhält; sich über manche Eigenheit wundern und wird in der  Auseinandersetzung mit dem anderen im Idealfall mit den eigenen, bisher nicht-hinterfragten Grundsätzen konfrontiert. Dabei bleibt man immer Beobachter.

Meine Frau und ich haben Japan: das Land, die Menschen und ihre Kultur, sehr zu schätzen gelernt. Wir haben kurzzeitig überlegt trotz oder gerade wegen der 3fachen Katastrophe vom 11. März 2011 mit dem schweren Erdbeben, dem Tsunami und der Atomkatastrophe von Fukushima, uns dort niederzulassen. Aber uns war klar, dass wir dann bis ans Ende unserer Tage Außenseiter bleiben würden. Vielleicht liegt es an der Insellage, aber die japanische Gesellschaft ist sehr auf sich bezogen und mit sich beschäftigt. Auch dort fordert unsere Transit-Zeit ihre Antworten. Dem Fachkräftemangel bzw. der demographischen Entwicklung wird in Japan mit großem Erfindungsreichtum und technischer Raffinesse begegnet, aber kaum in Erwägung gezogen, das Land für mehr Zuwanderung zu öffnen.

Die Korrespondentzeit ist in der Regel befristet. Das heißt, es geht irgendwann zurück in die alte Welt. Transit wird auf die Zeit bezogen als endlich, eine Spanne von Wochen, Monaten vielleicht Jahren verstanden. Die Transit-Zeit erfordert besondere Anstrengungen, bietet aber auch große Chancen. Für uns war am Ende klar, dass wir nach der Zeit in der Fremde, in der Millionenmetropole Tokio, jetzt die Heimat auf dem Land erleben wollen. Deshalb haben wir uns einen kleinen Bauernhof im Bayerischen Wald gesucht und leben dort seit drei Jahren mit Schafen, Hühnern, Hund und Katze. Dank Internet und der richtigen Infrastruktur müssen wir aber nicht ganz auf die große, weite Welt verzichten. Ob damit das Transit-Leben für uns zu Ende gegangen ist oder nur eine neue Übergangsphase begonnen hat, kann ich jetzt noch nicht sagen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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Wintereinbruch im November

Wintereinbruch im November

Wir hatten es ohnehin vor – die Schafe von ihrem letzten Weidegrund oben am Waldrand herunterzuholen. Der heutige Wintereinbruch hat uns heute einen weiteren Grund geliefert. Nasser Schnee, der wohl nicht lange liegen bleiben wird, aber dem mittlerweile an einigen Stellen schon recht gelben Gras endgültig den Winterlook verpasst.

So ganz wohl war uns ohnehin nicht angesichts des ersten Wolfsrudels im Bayerischen Wald und der aus dem Tierfreigelände entkommenen bzw. herausgelassenen Wölfe, aber das Gras sah noch zu verführerisch aus. Also durften unsere sechs Schafe auf der zum Waldrand hinter dem Haus nach oben führenden Wiese die letzten grünen Halme abfressen. Besonders viel Strom auf dem Elektrozaun konnte die Sorge in der Nacht zumindest ein wenig abschwächen.

 

Jetzt stehen unsere Woll- und Fleischlieferanten wieder hinter dem Schafstall und können die Nacht über in Sicherheit gebracht werden. Das Heu türmt sich daneben zwar ordentlich auf, wir sind aber trotzdem skeptisch, ob es wohl den langen Winter über reicht. Das hängt auch davon ab, wann die Schafe ihre Lämmer bekommen. So dick wie drei von ihnen aussehen, dürfte es nicht mehr allzu lange dauern. Dann sind mehr Mäuler zu stopfen und wir werden wohl ein paar Rundballen irgendwo kaufen müssen.

 

Der erste Schnee hat unsere Schafe zurück ans Haus gebracht, die Hühner wollten auch ohne Schnee aber angesichts der kalten Temperaturen am Tag zuvor am liebsten uns auf die Couch: zumindest machte es den Anschein, als sie sich vor der Terrassentür postierten. Glücklicherweise ist Hanabi schon so alt, dass sie das alles nicht mehr zu stören scheint.

Wintereinbruch Mitte November

Der Gemüsegarten ist abgeerntet, aber die Schafsmatte aus dem vorletzten Jahr noch nicht aufgetragen. Auch der Abfluss unserer Quelle bräuchte wohl eine Reinigung und die Solaranlage mag derzeit ihren spärlich fließenden Strom nicht an die Hausleitung oder die Batterie weitergeben. Es ist also noch viel zu tun, ob der Schnee nun liegen bleibt oder nicht.

Und dann gibt es da ja noch das andere Leben: Silke macht die Ausbildung zur Altenpflegerin nach gut drei Monaten immer noch Spaß. Das gilt für die Schule wie die Arbeit mit den alten Menschen. Ich pendele zwischen der BR-Welt und unserem Landleben – mal mehr mal weniger enthusiastisch.

https://www.cresc-biennale.de/de/programm/2017-11-23/verbinden-und-abwenden-eroeffnungskonzert

Am 23.11. kann ich mich übrigens wieder einmal einer ganz anderen Herausforderung stellen. Ich darf über unsere Korrespondenten-Zeit im Rahmen der Cresc:Biennale in der Frankfurter Oper einen Impuls-Vortrag halten. Der Umgang mit Sprache bleibt ein wichtiger Bestandteil und die Erinnerung an Japan, Korea oder Taiwan sind auch nach vier Jahren nicht verblasst.

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Sommer-Aufgaben erledigt

Sommer-Aufgaben erledigt

Es ist angeblich der letzte, heiße Tag in diesem Jahr: durchaus angemessen für einen 31. August. Die knallige Sonne zwingt uns, Strom zu verbrauchen, damit die Batterie nicht überlädt. Also wird alles gewaschen, was geht. Im Winter heißt es dann wieder: Strom sparen. Der Wetterwechsel ist am aufkommenden Wind und den aufziehenden Schleierwolken bereits zu erkennen. Aber das letzte Heu haben wir bereits gestern eingefahren.

Wir haben wieder einmal Bauarbeiten vor unserer Haustür. Die Kreisstraße zwischen St. Oswald, Altschönau und der Nationalparkstraße soll neu asphaltiert werden. In diesem Herbst ist das Teilstück zwischen unserer Bergerbrücke und Altschönau dran. Da lebt man nun mitten im Nationalpark…

 

Trotz der Laster und der Fräsmaschine bleibt es idyllisch hier – vor allem morgens und abends, wenn die erste und letzte Runde ums Haus mit dem Hund fällig ist, die Hühner versorgt werden wollen und unsere Katze entweder von uns etwas zu fressen bekommt oder gerade in Stimmung kommt, sich in der Abenddämmerung selbst etwas zu essen zu fangen.

Der ausklingende Sommer hat noch einmal für ordentlich Arbeit gesorgt. Die Wiesen wollten abschließend gemäht werden, und es galt, einen Teil als Heu auch einzufahren. Mähen und Laden erfolgen zum Glück maschinell. Dazwischen muss aber per Hand das Gras gewendet und dann zu Reihen gerecht werden. Auch ohne flirrende Hitze eine schweißtreibende Tätigkeit.

Damit dürften wir ausreichend Grünfutter für unsere Schafe im kommenden Winter haben. Am Samstag befreit der Schafscherer die Alttiere von ihrer Wolle, während die Lämmer ihren Pelz behalten müssen. Denn ihnen droht Anfang November der Metzger. Allerdings sind die Diskussionen noch im Gange, wie viele Schafe wir über den Winter bringen wollen: fünf, sechs oder sieben. Ich würde sagen, das Heu reicht in jedem Fall.

Auch die Kartoffelernte ist heute Vormittag in die entscheidende Phase getreten. Wie die letzten Jahre auch mussten wir die Knollen wieder mit der Wühlmaus teilen. Dabei ist Haru wirklich fleißig, was das Mäuse-Fangen angeht. Von riesengroß bis klein ist alles dabei. Drei verschiedene Sorten hatten wir eingepflanzt. Eine späte Variante darf noch die kommenden Herbsttage nutzen, ehe auch hier der Boden per Hand umgegraben wird. Ich hätte nicht gedacht, dass das alles so anstrengend ist.

Weniger körperlich aber mental enorm anstrengend war die Aktion, die Menge unserer Hähne zu reduzieren. Jetzt ist nur mehr Louie bei elf Hühnern der Hahn im Korb. Die restlichen drei Hähne hat – mit unserer Mithilfe – das Zeitliche gesegnet. Keine schöne Arbeit, die wir nur mit Mühe durchziehen konnten. Immerhin ist jetzt wieder Ruhe rund ums Haus: kein Gegockel, kein Wettkrähen, keine Hahnenkämpfe mehr. Dafür Hühnerfond und Hähnchenbrust, nachdem gerupft und ausgenommen werden musste.

Urlaub auf dem Bauernhof – nichts für schwache Nerven aber mit integriertem Fitness-Programm.

 

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Heu Ernte die Zweite

Heu Ernte die Zweite

Unsere mittlere Wiese sieht von oben so klein aus, wenn man mit dem Rechen darauf steht, aber ziemlich groß

Auch wenn der Tau das gemähte Gras ordentlich benetzt hatte und die Sonnenstrahlen am Vormittag einen Dunstschleier durchbrechen mussten, war das Heu nach eineinhalb Tagen bereit zum Einholen.

Wir hatten am Abend den Kreiselmäher noch angeworfen, um die trockenen Halme auf der mittleren Wiese vor dem Haus und die dicken Büschel verblühten Gilbweiderich hinter dem Haus im Feuchtgebiet des Nationalparks umzulegen. Die Hoffnung war, dass am nächsten Tag die Sonnenstrahlen leichteres Spiel haben würden. Vorhergesagt waren zwei Tage Sonnen-Sommer-Wetter. Am Vormittag lies noch ein leichter Schleier das Blau des Himmels Pastellfarben erscheinen, dann setzte sich das Sommerwetter für eineinhalb Tage durch. Vor vier Wochen habe ich einen Sensen-Kurs absolviert, um danach erst recht die technischen Errungenschaften schätzen zu wissen. Ohne unseren kleinen Kreiselmäher wäre die Hobby-Landwirtschaft nicht zu betreiben. Und so kommt die alte Sense der Vorvorgänger nur für die Böschung zur Straße und die Runde um den Klärteich zum Einsatz. Das Heu mit dem Rechen zu wenden und in Reihen aufzuschichten, ist und bleibt Handarbeit; eine durchaus meditative Tätigkeit. Dann kommt der kleine Ladewagen zum Einsatz. Ehe am Ende per Hand und mit Hilfe einer Plane das Heu in der Scheune oder mit Hilfe des Seilzugs auf dem Bretterboden des Schafstalls landet.

Hier kann und musste das Heu noch etwas nachtrocknen. Haru, unsere Katze, fühlte sich zwar kurz gestört, um sich dann aber im Heu ihr Plätzchen zu suchen. Die Halme sind nicht besonders lang und die Ernte füllte noch nicht einmal den Ladewagen komplett aus. Aber der Geruch lässt hoffen, dass die Schafe in den kommenden Monaten gerne davon essen werden – etwas anderes gibt es dann auch nicht mehr.

Jetzt dürfen sich sich noch rund ums Haus fressen. Und die Wiese vor bzw. links und rechts vom Gemüsegarten war noch unberührt. D.h., bis vor kurzem lag dort noch keine Schafsdung. Das hat sich mittlerweile geändert. Die Johannisbeer-Büsche haben zudem eine Kurzhaar-Frisur verpasst bekommen; denn für Schafe scheinen auch die Blätter schmackhaft zu sein, wenn man denn an sie heran kommt. Ohne Schatten findet die August-Hitze jedes Waldschaf doof, vor allem wenn der Schafscherer noch auf sich warten lässt. Angesichts der Wolfsgeschichten hier im Bayerischen Wald ist es uns derzeit ganz recht, wenn die Schafe im Moment so nah am Haus sind. Und im Winter wird die Stalltür zu gemacht – das ist sicher.

 

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Sommer Ausklang

Sommer Ausklang

Die erste Kartoffel-Ernte in diesem Jahr liegt bereits in unserer Speisekammer

Dieses Jahr sind die Kartoffeln aus unserem Garten vor dem Haus besonders groß. Vielleicht hat die lockere Erde und das Häufeln dazu beigetragen. Pro Pflanze waren dafür bisher aber nur wenige, große Knollen aus der Erde zu holen. Immerhin sind die ersten Säcke in der Speisekammer bereits gefüllt.

Die Bohnen und der Mangold wachsen fröhlich vor sich hin; auch der Salat-Anbau funktioniert gut. Ausgewachsene, erntereife Karotten hingegen konnte ich auch in diesem Jahr an einer Hand abzählen. Irgendwie will dieses Wurzelgemüse in unserem Garten nicht. Das gilt ebenfalls für diverse Kohlsorten, deren Blätter von Löchern durchsetzt sind, bevor sich die Pflanze richtig entwickeln kann. Die Erbsen-Stauden haben zwar für drei, vier Mahlzeiten gereicht, sind dann aber immer gleich gelb geworden. Und die Wühlmaus hat bei vielen Pflanzen den Stengel ohnehin gleich zu Beginn gekappt.

Blick in den Garten vor dem Haus Mitte August

Es regnet mittlerweile wieder häufiger. In den Monaten Mai, Juni, Juli ist bei uns in der Bergerau nur wenig Wasser aus dem Himmel getropft, so dass sich unsere Feuchtwiese zwischenzeitlich in einen Magerrasen verwandelt hat. Die Schafe fraßen auch dieses Grün, waren aber von den vielen Sonnentagen wenig angetan.

Letztes Wochenende haben wir den Gasofen angeworfen. Mit zwölf Grad am Samstag kühlte es sich auch im Haus schnell auf 18 Grad ab. Reichlich Tau am Morgen erinnert ebenfalls an den kommenden Herbst, und die Sonne braucht länger, die Halme zu trocken. Zudem hat sie Mitte August dafür nur mehr so viele Stunden wie Ende April.

Wenn es noch einmal zwei, drei Tage hintereinander trockenes Wetter gibt, werden wir einige unserer Wiesen erneut mähen. Dann dürfte das Heu für die derzeit zehn Schafe reichen. Wahrscheinlich reduzieren wir den Tierbestand aber vor Einsetzen des Winters noch. Unser verbliebener Bock ist dabei, all seine Damen zu beglücken, so dass Anfang nächsten Jahres wahrscheinlich wieder mit Nachwuchs zu rechnen ist.

Auch wenn wir uns hier sehr wohl fühlen und immer noch viel entdecken und ausprobieren wollen, kommen dennoch die Erinnerungen an Japan in regelmäßigen Abständen hoch – gepaart mit etwas Wehmut und dem Gefühl, dass wir irgendwann dorthin zurück gehen werden. Das Essen, die Gemeinschaft (die nur auszuhalten ist, wenn man wie als Ausländer nicht dazugehört), die Landschaft sind einfach großartig. Auch das Meer fehlt hier.

Während einer unserer morgendlichen Hunde-Spaziergänge entdeckte ich die Lamellen eines Pilzes, die sich weiß aus der dunklen Erde schoben. Noch etwas schlaftrunken musste ich an die Barten eines Wals denken, die das Meerwasser bis zur Oberfläche nach Plankton durchpflügen. Pilze und im Wasser lebende Säugetiere haben wenig gemein. Das gilt auch für den trockenen Boden am Rand einer Straße durch den Nationalpark Bayerischer Wald im Hinblick auf die Weiten der Ozeane. Aber irgendwie konnte ich mich den ganzen Vormittag nicht von diesem aberwitzigen Vergleich befreien. Ungeachtet dessen ist der Pilz, der es schafft mit seiner Kappe (oder wie in diesem Fall mit den Lamellen) durch beinahe jeden Untergrund zum Tageslicht zu gelangen und mit seinem Myzel-Wurzelwerk zu den größten Lebenwesen der Erde zählt, ein faszinierendes Lebenwesen.

 

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