Schlagwort: Spätsommer

Bestandsaufnahme

Bestandsaufnahme

Spätsommer in der zweiten Septemberhälfte

Wettermäßig sind das noch ein paar geschenkte Spätsommertage. Tagsüber steigt das Thermometer dank der wärmenden Sonnenstrahlen auf über 20 Grad, während sich nachts bei sternenklarem Himmel (und nur einer ganz schmalen Mondsichel) der erste Rauhreif bildet. Ab Mitte nächster Woche soll es damit vorbei sein und nasskalter Herbst das Wetter bestimmen. Dann werden die Pflanzen endgültig das Wachstum einstellen. Schon jetzt geht das bei dem verbliebenen Gemüse nur noch in Zeitlupe vonstatten. Die richtige Zeit also für eine Bestandsaufnahme der Tiere und Pflanzen auf unserer kleinen Farm und natürlich hinsichtlich unserer eigenen Ideen und Vorstellungen.

Vier Schafe und ein Lamm hatte der Schafscherer vor zwei Wochen unter seinem elektrischen Rasiermesser. Ein bisschen Fell ist wieder nachgewachsen, und so liegen die Tiere während der Nachmittagssonne am liebsten im Schatten unter dem Wagen. Dieses Jahr hat das häufige Umstellen des Weidezauns über unsere Wiesen hinweg sehr gut geklappt. Die Lämmer und Schafböcke hatten am Ende ordentlich etwas auf den Rippen, so dass Jackson und wir schweren Herzens mit der Fleischausbeute zufrieden sein können. Eine letzte Runde bis zur kleinen Ohe und zurück zum Schafstall müsste sich vor dem ersten Schnee noch ausgehen – wenn es denn dieses Jahr überhaupt einen Winter gibt. Das Heu reicht auf jeden Fall, ungeachtet ob die Schafe ein oder zwei Lämmer gebären werden. Vielleicht hat es Patrick ja auch nicht geschafft, die Damen zu begatten. Wir werden es im Dezember wissen. Seitdem die Fünf unter sich sind, ist auf jeden Fall eine entspannte Ruhe eingekehrt, die nur ab und an von wilden Bocksprüngen der Jüngeren unterbrochen wird.

Das ist auf jeden Fall ein Hahn

Unsere Hühnerschar zählt mittlerweile nur noch fünf inklusive eines Hahns. Denn der Fuchs nutzte vor kurzem die Gelegenheit, als Jackson im Haus war, um sich eines der Küken zu schnappen, während er reisaus nahm. Denn ich war ums Haus gelaufen und konnte gerade noch verhindern, dass er sich die alte, gesperberte Henne schnappt. Das junge Huhn war wohl leicht genung, um es auf der Flucht mit davon zu tragen. Jetzt werden wir niemals herausfinden, ob es sich bei dem Küken um einen Hahn oder eine Henne gehandelt hätte. Bei den verbliebenen drei Küken sind wir uns mittlerweile sicher, dass es ein Hahn und zwei Hennen sind, die sich seit dem Fuchs-Erlebnis eng mit den Alten zusammengeschlossen haben. Und auch die verbliebenen zwei alten Hennen scheinen nichts mehr gegen den Nachwuchs zu haben. Cookie, unsere braune Henne, lief schon einige Tage etwas langsamer durch die Gegend. Dann setzte sie sich eines Abends in die Legekiste, wo wir sie am nächsten Morgen in der Totenstarre fanden.

Jackson würde den Fuchs lieber jagen als nur verbellen

Jackson muss jetzt wieder häufiger am Schafstall Wache schieben. Denn dort war der Fuchs aus dem Wald gekommen. Meist ist ihm der Platz nach der Mittagsrunde zu langweilig und er wartet sehnsüchtg auf den nächsten Spaziergang. Dann kann er noch ein bisschen vor dem Haus liegen und in den Wald blicken, ehe es auf sein Kissen im Wohnzimmer geht. Ihm ist es auch zu warm (und der Schafscherer hat sich seiner Wolle nicht erbarmt;-) Umso mehr genießt Jackson den morgendlichen Spaziergang kurz vor Sonnenaufgang in der Kälte, den ich an den letzten beiden Tagen nur mit Mütze und Handschuhe absolvieren konnte.

Haru hingegen weiß gut mit Wärme und Kälte umzugehen. Um die kleine Farm möglichst für sich zu haben, wird sie erst abends aktiv, wenn Hühner und Jackson im Haus sind. Bis dahin macht sie es sich auf dem Schaffell unter dem Fenster in der Scheune gemütlich. Ich gebe zu, wir haben den grünen Sessel bewusst dorthin geschoben. Haru dankt es uns auf ihre Weise. Dieses Jahr hat sich noch keine Maus blicken lassen, was allerdings auch daran liegen könnte, das 2020 (das Jahr der Maus) einfach kein Mausejahr ist. Denn auch draußen auf den Wegen sieht man selten einen Mauskadaver. Unsere Fledermaus hat bisher (und hoffentlich auch weiterhin) die Angriffe von Haru abwehren können.

Chinakohl und letzte Anzucht im Gewächshaus

Ich glaube, ich habe keines unserer Tiere vergessen – sieht man einmal von Schmetterlingen, Hummeln, Fliegen, einigen, wenigen Wespen, Mücken und Vögeln ab. Die Kohlweißlingsraupen haben den Chinakohlpflanzen arg zugesetzt, aber zwei sind im Gewächshaus am Ende doch noch ordentlich groß geworden, nachdem ich händisch die Raupen hinausbefördert habe. Die Tomaten fangen hingegen jetzt erst an zu reifen ebenso wie die Paprika. Viel ist da nicht zu holen. Alles andere hat reichlich zur Versorgung beigetragen oder tut das noch immer. Topinambur hat nicht nur eine schöne Blüte, sondern schmeckt auch richtig gut. Es hat also am Ende ganz gut geklappt mit dem Gemüseanbau. Aber drei Felder sind zu viel – vor allem wenn ich wieder arbeiten gehen werde. Der aus den Heukartoffeln vor vier Jahren entstandene Acker (ein viel zu großes Wort für die Wiese, die sich trotz meiner gegensätzlichen Bemühungen immer wieder durchgesetzt hat) wird wieder aufgelöst. Hier kann wachsen, was will. Der Haselnussstrauch allerdings muss jetzt doch ein wenig gestutzt werden, auch wenn er dieses Jahr reichlich Früchte trägt.

Neben dem Gemüse sind auch die Blumen ums Haus zahlreicher geworden. Noch blüht es an einigen Stellen gelb, während sich die Astern mit ihrem blau-lila etwas Zeit lassen. Diese kleinen dichten Blüten dürften der letzte Gruß des Herbstes sein. Höchste Zeit das Holz weiterzuverarbeiten, damit wir unsere Räume ordentlich heizen können. Die Stämme aus dem letzten Jahr sind gut getrocknet und ich bin nicht traurig, dass bisher von den enervierenden Waldarbeiten in der Randzone des Nationalparks nichts für uns abgefallen ist. Das war und ist eine nette Herausforderung, die ich aber nicht jedes Jahr voll ausleben muss. Ebenso wenig wie den Gemüseanbau. Gerade in der biologisch-natürlichen Art und Weise hat das seinen Reiz, ist aber für mich nicht erfüllend genug, um allein damit meine Zeit verbringen zu wollen. Folglich bin ich ganz froh, derzeit durch mein Praktikum in der psychosomatischen Klinik wieder mit einem anderen Leben konfrontiert zu sein.

Ich hatte eingangs von den wettermäßig geschenkten Tagen geschrieben. Denn bezogen auf die politische und gesundheitliche Lage würde ich die Tage nicht unbedingt als geschenkt bezeichnen. Ich habe am 26. September und 14. Oktober zwei Tests zu absolvieren (wieder müsste ich eigentlich schreiben, denn einmal wurde die Klausur bereits wegen der Pandemie abgesagt). Angesichts der steigenden Infektionszahlen, die eigentlich niemanden überraschen dürften, wächst meine Sorge, dass ich diese Prüfungen nicht ablegen darf. Das motiviert nicht gerade zum Lernen. Im Vergleich zu vielen anderen, vor allem Selbstständigen, geht es mir vergleichsweise gut, aber die Ungewissheit zerrt an den Nerven. Deutschland ist bisher gut durch die Pandemie gekommen sicher auch dank der Maßnahmen (die dankenswerterweise auch weitgehend eingehalten wurden) und dem guten Gesundheitssystem. Mittlerweile haben sich zumindest die öffentlich-rechtlichen Medien auch von ihrem hysterischen Ton in der Berichterstattung verabschiedet und vergleichen die Lage bei uns mit der in anderen Ländern, was durchaus beruhigen kann. Aber von der Politik fehlt mir noch immer der Ausblick, die Strategie im Umgang mit Sars Cov 2. Wir werden mit dem Virus leben müssen, so viel ist klar, wenn diese Tatsache auch nur ungern laut ausgesprochen wird. Deshalb müsssen wir einen „normaleren“ Umgang mit Covid entwickeln. Die Todesrate in Deutschland (übrigens auch in Indien) ist nicht allzu viel höher als bei einer schweren Grippe. Ob sich das Virus ähnlich schnell verändern wird wie eine Grippe und damit die Impfung erschwert, ist zum jetztigen Zeitpunkt ebensowenig klar wie all die vielen Wechselwirkungen, die Covid auslösen kann. Dafür braucht es mehr Erfahrungen, die leider auch mit Krankheit und Tod einher gehen. Das ist aber bei vielen Krankheiten so – und sollte deshalb kein Grund für Angst und Panik sein. Beide Empfindungen werden ebenso wie Misstrauen und Wut geschürt, wenn man nicht über mögliche Zukunftsszenarien diskutiert. Wenn wir Glück haben, bringt uns ein Impfstoff noch in diesem Jahr ein echtes Heilmitteln wie bei den Masern. Damit wäre die Bedrohung durch Sars Cov 2 gebannt. Wenn wir nicht so viel Glück haben, hilft die Impfung ebenso viel oder wenig wie bei einer Grippe, weil das Virus schnell mutiert. Für beide Möglichkeiten sollten wir eine Antwort haben. Zeit zum Nachdenken hatten wir eigentlich genug.

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