Keine Lösung im Atomstreit mit Nordkorea
Kann der Atomdeal mit dem Iran ein Vorbild für den Umgang mit Nordkorea sein?
Angesichts des jüngsten Atomtests und der Geschichte des nordkoreanischen Atomprogramms – nein. Aber eine vergleichende Analyse der Situation in Nordkorea lohnt sich trotzdem.
Ungeachtet dessen, ob es sich beim 4. nordkoreanischen Atombombentest tatsächlich um eine Wasserstoffbombe oder „nur“ um einen gewöhnlichen, atomaren Sprengsatz handelte, das Ereignis verdeutlicht, dass Nordkorea an seinem Atomprogramm festhält und dabei ist, seine atomaren Fähigkeiten wie Kapazitäten auszubauen. In Verbindung mit dem Raketenprogramm, das der junge Führer, Kim Jong Un, ebenso vorantreibt wie die Entwicklung von Atomwaffen, wächst das Bedrohungspotential. Nicht nur das nahegelegene Seoul, die Hauptstadt Südkoreas, sondern auch andere Ziele in Asien liegen in Reichweite. Sollte die Verkleinerung der nordkoreanischen Atomwaffen auf die Größe von atomaren Sprengköpfen bereits vollzogen sein (wie einige Experten meinen) oder in Kürze erfolgen (wie eigentlich alle Analysten befürchten), können die überraschend zuverlässigen, nordkoreanischen Mittelstreckenraketen Atomsprengköpfe nach Japan oder zu den US-Militärstützpunkten in Asien transportieren. Die Option mit einer atomaren Langstreckenrakete auch US-Territorium erreichen zu können, ist sicher eines der Ziele der nordkoreanischen Führung, das seit dem erfolgreichen Test der Unha-3 (Taepodong 2) im Dezember 2012 in Reichweite zu liegen scheint.
Auch den Ausbau der Nutzung der Kernenergie treibt Nordkorea wieder voran. Vor kurzem berichtete die 38 North Internet-Seite über die Fortschritte beim Bau des experimentellen Leichtwasserreaktors in Yongbyon (http://38north.org/2016/01/yongbyon011416/). Im Unterschied zum Iran besitzt Nordkorea bereits Atomwaffen und hat die zivile Nutzung der Atomenergie im Gegenzug von Öl- und Stahllieferungen bereits mehrmals auf Eis gelegt. Die Inspektoren der IAEA waren bis zur Jahrtausendwende in den nordkoreanischen Anlagen und hatten 2012 in einer Phase der Entspannung erneut Zugang. Anders als bei den Verhandlungen mit dem Iran gab es also schon eine Reihe von Versuchen, das nordkoreanische Atomprogramm mit Hilfe von Abkommen einzugrenzen. Aber keine Vereinbarung mit Nordkorea hat bisher Bestand gehabt.
Der Iran wie Nordkorea sind von zahlreichen internationalen Sanktionen betroffen. Allerdings hat das Regime in Pjöngjang keine Skrupel, seine Bevölkerung leiden oder sogar verhungern zu lassen. Die Sanktionen bieten eine Begründung für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten als Beispiel der aggressiven, feindlichen Politik des Auslands vor allem der USA. Die Dynastie der Kims hat es geschafft, den Menschen im Land mit Hilfe von Propaganda, die angesichts der Dauer und Intensität einer Gehirnwäsche nahe kommt, einzureden, dass nur die Familie der Kims die nordkoreanische Bevölkerung beschützen kann. Dabei ging es zuerst um ein Stark-Machen (Staatsgründer: Kim Il Sung), dann um das Behaupten in einer zunehmend feindlichen Welt („Erfinder“ des nordkoreanischen Atomprogramms: Kim Jong Il) und aktuell um die Akzeptanz als Atommacht durch den Hauptfeind, die USA (mögliche Rolle für Kim Jong Un).
Nordkorea bezeichnet sich selbst als eine Atommacht und ist es wohl auch angesichts der geschätzten sechs bis 20 Atombomben, auch wenn die USA sich weigern, Nordkorea diesen Status zuzugestehen. Die nordkoreanische Führung begründet den Besitz von Atomwaffen offen mit der Notwendigkeit der Abschreckung. (http://www.uriminzokkiri.com/index.php?ptype=english&no=118011) Als negatives Beispiel werden die Machthaber in Lybien oder dem Irak angeführt, die aus Sicht der nordkoreanischen Führung auf ihr Atomprogramm verzichtet hätten, um dann von den USA gestürzt zu werden.
Nordkorea wie der Iran galten für die US-amerikanischen Politiker lange Zeit als Paria-Staaten, als Achse des Bösen. Damit erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten aber auch. Der Iran ist eine Regionalmacht (mit globalen Ambitionen), die Israel, den traditionellen Verbündeten der USA, bedroht. Nordkorea ist ein isolierter Staat, der keine Rolle spielt, wenn es um regionale Konflikte oder Partnerschaften geht. Der chinesische Nachbar hält notgedrungen seine schützende Hand über Nordkorea, damit sich der Einflussbereich der USA nicht über ein geeintes Korea bis an die eigene Grenze hin ausweiten kann. Bereits der Staatsgründer und Großvater (Kim Il Sung) des amtierenden Führers (Kim Jong Un) hatte Nordkorea am Rande der damaligen Blöcke und mit ihrer Hilfe (Volksrepublik China, Sowjetunion, USA) stark sowie autonom zu machen versucht. Das Selbstverständnis hat sich bis heute nicht geändert. Nordkorea soll aus sich selbst heraus die in der Welt besten Leistungen erzielen und auf Augenhöhe mit den Weltmächten verkehren.
In der nordkoreanischen Logik braucht es die Mär einer äußeren Bedrohung, um den Mangel im Inneren zu erklären und die Bevölkerung bei der Stange zu halten. Diese Bedrohung (ob eingebildet oder real) erfordert entsprechende Verteidigungsleistungen, am besten eine atomare Abschreckung, um die USA vom Sturz des Regimes abzuhalten, für den es angesichts der Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea gute Gründe gibt. D.h. Nordkorea kann auf seine Atomwaffen nicht verzichten. Die akzeptierte, friedliche Nutzung der Kernenergie als Gegenleistung für eine Kontrolle durch die IAEA wie im Falle des Iran war für Nordkorea vor der Jahrtausendwende eine Option, heute als „Atommacht“ ist das für Kim Jong Un nicht von Interesse.
Die Sanktionen gegenüber Nordkorea haben bisher wenig bewirkt. Der Einfluss Chinas auf das Regime in Pjöngjang wird im Westen oft überschätzt. Was also bleibt? Ich glaube, das Gespräch mit dem Regime in Nordkorea ist die einzige Möglichkeit. Auf diese Weise lässt sich zumindest herausfinden, wie es um das Machtgefüge im Inneren bestellt ist und erahnen, welche Absichten Kim Jong Un und die Seinigen haben.