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Paradigmenwechsel durch die Ukraine-Krise

Paradigmenwechsel durch die Ukraine-Krise

Zu Beginn des Krieges hatte ich gedacht, der militärische Widerstand der Ukraine würde bald zusammenbrechen und damit das unmittelbare Leid der Bevölkerung nur kurz andauern. Dann wäre die Unabhängigkeit der Ukraine zwar Geschichte und Putin hätte sein kriegerisches Ziel erreicht, aber wie so oft in den vergangenen Jahrzehnten hätte man/frau einfach weitermachen und seinen Geschäften nachgehen können. Unsere vielleicht vorhandenen Gewissensbisse hätten wir mit dem Verweis auf die Geschichte wie üblich zum Schweigen gebracht. Da Deutschland den 2. Weltkrieg gestartet und zu verantworten hat, müssen wir uns auch heute noch aus allen militärischen Dingen heraushalten – und damit andere die Arbeit machen lassen.

Ungeklärte Einflussgebiete auch auf dem Balkan

Mit 50 Jahren gehöre ich zu der Generation, die den Kalten Krieg noch miterlebt und in der Folge bewusst die Aufteilung und spätere Aufweichung der hastig beschlossenen Einflusssphären zwischen Russland und dem Westen verfolgt hat. Wie volatil diese Abgrenzungen waren, zeigte sich an den Jugoslawien-Kriegen. Bis heute schwelen Konflikte auf dem Balkan, die auch mit diesen ungeklärten Einflussgebieten zu tun haben. Die aktuell häufig zu lesen und zu hörenden Aussagen: ein Krieg in Europa schien undenkbar, kann ich deshalb nicht nachvollziehen. Viele meiner und älterer Generationen haben nur erfolgreich das Morden in Bosnien oder im Kosovo – also mitten in Europa – verdrängt. Auch im Kampf um die Ukraine griffen zunächst die üblichen Mechanismen bei der politischen Elite in Deutschland: sich als Vermittler engagieren, aber wegen unserer Vergangenheit sich militärisch heraushalten und wirtschaftlich weiter profitieren.

Die bisherigen, politischen Konzepte funktionieren nicht mehr

Dass das so nicht mehr funktionieren kann, hätte man eigentlich angesichts der Bewegungen gegen den Klimawandel der jüngeren Generation vorhersehen können. Junge Menschen mischen sich ein, fordern Veränderung und sind dafür auch bereit, Abstriche bei ihrem Lebenswandel zu machen, während sich meine Generation bei letzterem noch eher schwertut. Für diese junge Generation, ob in der Ukraine oder Deutschland, ist das selbstbestimmte Leben ein wichtiges Gut, das sie sich nicht von autoritären Führern und ihrer Klientel nehmen lassen wollen. Wie schwer das umzusetzen ist, haben wir am Beispiel von Weißrussland gesehen. Wenn ich von einer Generation spreche, dann meine ich das natürlich nicht absolut. Es gab und gibt ältere Menschen, die sich mit der vorherrschenden, gesellschaftlichen Strömung nicht identifizierten oder jüngere Menschen, die sich lieber aus allem heraushalten wollen. Aber es gibt über die Grenzen hinweg eine von Jüngeren getragene Bewegung, die Freiheit als unverzichtbares Gut ansieht. Dabei geht es um politische, wirtschaftliche, Informations- und Reise-Freiheit.

Jüngere Generation ist bereit für „ihre“ Freiheiten zu kämpfen

Den jüngeren Menschen gerade im östlichen Teil Europas kommt zugute, dass sie sehr gut vernetzt sind. Die gezielten, weltweiten Hackerangriffe auf russische, staatliche Einrichtungen sind dafür ein gutes Beispiel. Informationen mittels US-amerikanischen privaten Satelliten aus der Ukraine in die Welt zu schicken ein anderes. Die Solidarität hat auch die Menschen in Deutschland erfasst – und ich möchte hier keinen Unterschied mehr zwischen den Generationen machen. Was kann ich tun? Wie kann ich helfen? sind die vorherrschenden Fragen im Netz. Das hat offensichtlich auch die Politik in Berlin erkannt und der Druck aus dem europäischen Ausland sowie den USA tat ein Übriges. Jetzt sind auch deutsche Waffenlieferungen möglich, und der Ausschluss aus dem SWIFT-System ist zumindest für einige, russische Banken Realität.

Aber wie kann eine Lösung aussehen?

Das Leid der Bevölkerung in der Ukraine können diese Maßnahmen nicht lindern. Im Gegenteil: so hoffnungsvoll auf der einen Seite der militärische wie bürgerliche Widerstand gegen den russischen Aggressor ist, er erhöht die zivilen Opfer. Putin kann aus seiner Sicht nicht zurück. Der Diktator hat sich in eine Sackgasse manövriert. Und der Westen hat dank der Solidarität vor allem der jüngeren Generation begonnen, sich klar für die Freiheit der Ukraine zu positionieren. So wichtig und aus meiner Sicht richtig das ist: diese Konfrontationsstellung macht einen Ausweg aus der Krise deutlich schwieriger.

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